Im ruhigen Havelland sollten die Kinder und Jugendlichen doch eigentlich vor den Versuchungen der illegalen Drogen geschützt sein, oder? Schließlich ist die Clubszene in der Region doch mehr als überschaubar. Und bekannte Drogenumschlagplätze wie den Görlitzer Park in der Hauptstadt Berlin gibt es hier auch nicht. Aber: Ganz so idyllisch geht es im Havelland doch nicht zu.
Michael P. (Name von der Redaktion geändert) ist Streifenbeamter der Polizei. Er sagt: „Ich habe im Havelland schon jede Art von Drogen gesehen. In erster Linie natürlich Cannabis, aber auch Kokain, Crystal Meth, Amphet- und Metamphetamine sowie Opiate. Drogen stehen gerade bei den Heranwachsenden sehr hoch im Kurs. Viele fangen schon mit 13 Jahren mit dem Kiffen an.“
Sebastian E. (Name von der Redaktion geändert) steht seinem Kollegen bei: „Die Wahrnehmung der Bürger hat sich verändert. Nehmen sie heute den typischen Cannabis-Geruch in der Öffentlichkeit wahr, dann spüren sie dem Geruch nicht länger nach, sondern unternehmen – gar nichts. Kiffen scheint akzeptiert zu sein. Zumal es uns ja auch in vielen Hollywood-Filmen oder Rapper-Songs vorgelebt wird. Und die Jugendlichen wundern sich: Nanu, ich dachte, das ist verboten? Und trotzdem tut niemand etwas dagegen? Das ist ja komisch“.
Michael P.: „Gerade bei den Heranwachsenden kann der regelmäßige Cannabis-Konsum viele negative Begleiterscheinungen haben. Das reicht von Konzentrationsschwächen bis hin zu ausgewachsenen Psychosen.“
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Werden Jugendliche von der Polizei mit Drogen erwischt, so wird ihnen die Droge abgenommen, es erfolgt eine rechtliche Belehrung und eine Durchsuchung. Heranwachsende werden an die Erziehungsberechtigten übergeben und über die Strafanzeige informiert.
Sebastian E.: „Es wird immer wieder argumentiert, dass es z.B. bei ‚Gras‘ eine Freigrenze für den Eigenbedarf gibt. Das stimmt so aber nicht. Die Bundesländer haben Richtlinien erlassen, nach denen der Besitz einer “geringen Menge“ Cannabis für den Eigenbedarf folgenlos bleiben kann. Aber – jetzt kommt das große Aber – eine Strafanzeige wird trotzdem immer gestellt. Der Staatsanwalt ist der Herr des Verfahrens, er allein entscheidet, ob von einer weiteren Strafverfolgung abgesehen wird. Im Wiederholungsfall wird das bestimmt nicht wieder so laufen. So oder so bekommen die Betroffenen aber einen Eintrag in ihre Akte. Michael P.: „Heranwachsende nehmen eine solche Strafanzeige oft nicht besonders ernst. Der Akten-Vermerk (z. B. Führungszeugnis) kann bei Minderjährigen aber auch dazu führen, dass sie für einen Führerschein gar nicht erst zugelassen werden oder zumindest erst einmal nachweisen müssen, dass sie auch wirklich clean sind.“ Wer bereits einen Führerschein hat, muss mit Konsequenzen rechnen, wenn er „auf Droge“ erwischt wird.
Michael P.: „Wichtig ist: Das Führen eines Fahrzeugs unter Betäubungsmitteln ist eine Ordnungswidrigkeit. Sie wird im Regelfall mit einem Monat Führerscheinentzug, zwei Punkten und 500 Euro Strafe geahndet. Im Wiederholungsfall verdoppelt sich die Strafe. Kam es allerdings unter Drogeneinfluss zu Ausfallerscheinungen, einem Unfall oder zu einer Gefährdung von Menschen, so wird das gleich als Verkehrsstraftat gewertet.“
Im Ordnungswidrigkeitenverfahren müssen die Fahranfänger bei einem Führerschein auf Probe zu einer Nachschulung und es verlängert sich die Probezeit. Für alle anderen Fahrerlaubnisinhaber kann die Fahrerlaubnisbehörde zusätzlich eine Medizinische-Psychologische-Untersuchung (MPU) anordnen. Im Strafverfahren entscheidet das Gericht.
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Sebastian E.: „Wenn wir eine Kontrolle durchführen und bereits sehen, dass die Personen stark gerötete Augen haben, sehr fahrig reagieren, zittern oder andere Anzeichen für einen Drogenkonsum zeigen, dann führen wir einen Drogentest zur Kontrolle durch. Früher nutzten wir einen auf Schweiß basierenden Wischtest, inzwischen verwenden wir einen Speicheltest. Der zeigt in wenigen Minuten an, ob Cannabis, Amphet-/Metamphetamine, Opiate oder Kokain konsumiert wurde. Bei einer Positivkontrolle ordnen die Beamten immer eine bestätigende Blutentnahme zur Sicherung des Ordnungswidrigkeiten-/Strafverfahrens an.“
Nach dem Cannabis sind Amphetamine die häufigste Droge, die im Havelland angetroffen wird.
Sebastian E.: „In Berlin sind Amphetamine in der Partyszene zu finden. Im Havelland wird das Zeug auch genommen, um im beruflichen Umfeld leistungsfähig zu bleiben oder die Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Konsumenten bilden dann auch tatsächlich einen Querschnitt durch die ganze Gesellschaft.“
Fakt ist: Die Drogenproblematik nimmt zu im Havelland. 2017 wurden 351 Fälle von der Polizei bearbeitet, 2018 waren es bereits 450 Fälle. Die Aufklärungsquote liegt immerhin bei 94,7 Prozent.
Warum? Nun, werden Drogen gefunden, dann meist gleich am Besitzer oder Händler, sodass umgehend eine Strafanzeige geschrieben wird.
In der Offline-Welt weiß die Polizei ganz genau, wo die „Hotspots“ sind, an denen die Dealer unterwegs sind.
Michael P.: „In Falkensee behalten wir so etwa Treffpunkte der Jugendlichen im Auge. Aber die Digitalisierung macht auch vor der Drogenszene nicht Halt. Verabredungen zu einem Drogenkauf werden immer häufiger online getroffen. Das Internet ändert alles, Drogen können im Darknet bestellt werden! Das Darknet ist keine Erfindung der Medien, es existiert!“
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Mein Kind nimmt Drogen:Wie erkenne ich das?
Das Sachgebiet Prävention der Polizei geht das Thema Drogen frühzeitig und intensiv an. Zuständig ist Martina Bethke: „Es ist beängstigend, wie die Kinder und Heranwachsenden mit dem Thema Drogen umgehen. Es wird der Umgang mit Drogen in der Öffentlichkeit teilweise verharmlost. In der Unterhaltungsindustrie wird der Konsum von Drogen überwiegend positiv dargestellt. Unsere Präventionsarbeit wird dadurch erheblich erschwert. Die Kinder und Jugendlichen verstehen nicht, dass die Drogen hier verboten, aber woanders erlaubt sind. Das Argument ist oft: Das machen doch alle…“
Martina Bethke ist im ganzen Havelland unterwegs, um – auf gezielte Anforderung hin – informative Drogenveranstaltungen in den Schulen durchzuführen. Im vergangenen Jahr war sie in 50 Schulen zu Gast und hat 1.029 Teilnehmer erreicht. In diesem Jahr waren es bereits 27 Veranstaltungen und 532 Teilnehmer. Vor Ort hält sie nichts von Vorträgen – sie liebt die Diskussion mit den Heranwachsenden zu Themen wie Legalisierung, Eigenbedarf, Drogentest, Führerscheinsperre usw.
Auch im Falkenseer „Haus am Anger“ begleitet die Polizistin seit 2013 gemeinsam mit anderen Partnern das Drogenprojekt “Glücklich ohne Alkohol und Drogen“. Hier geht es darum, dass der Jugendliche eine eigene Haltung in der Gesellschaft findet und dies trotz der allgegenwärtigen Präsenz von Drogen und anderen Rauschmitteln. Hier können sich Schulen anmelden, ohne den negativen Fokus auf sich zu lenken. Weitere Information finden sich unter www.crea-verein.de.
Martina Bethke: „Früher war ich nie in den Grundschulen. Inzwischen bekomme ich auch von hier Anfragen. Das Einstiegsalter sinkt. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang: Die Eltern sollten sich frühzeitig mit dem Thema Drogen beschäftigen – und nicht erst am Tag X, wenn das Kind mit Drogen erwischt wird. Ganz wichtig ist es, mit den Kindern zu sprechen. Leistungsdruck besteht bei allen, aber die Neugierde ist bei unseren Kindern doch viel größer.“
Chemische Drogen werden oftmals in dubiosen Kellern zusammen gemischt (Designer-Drogen) und kommen dann in den verschiedensten Formen zum Dealer. Die Inhaltsstoffe sind nicht definierbar, da die Designer-Drogen jedes Mal eine andere Zusammensetzung haben können.
Martina Bethke: „Wir hatten in diesem Jahr bereits einen minderjährigen Drogentoten im Havelland. Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich. Mit Kleberschnüffeln fing alles an.“
Die beste Prävention gegen Drogen ist und bleibt – der Sport. Martina Bethke: „Für viele Sportler ist ihr Körper ein Tempel, der nicht durch Drogen beschädigt werden darf. Als Resümee meiner ganzen Veranstaltungen kann ich nur sagen: Wir müssen unsere Kinder besser auf das Leben vorbereiten, es ist nicht sinnvoll, wenn wir die Augen vor den Gefahren verschließen – die Jugendlichen können trotzdem mit allen Sachen in Berührung kommen. Auch eine Legalisierung mancher Drogen macht es nicht harmloser – die körperlichen Auswirkungen bleiben auch dann!“
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Streifenpolizisten: Alkohol bleibt großes Thema!
Viele Drogenkonsumenten argumentieren: Wenn Alkohol frei zugänglich ist, dann darf auch Marihuana keine verbotene Droge mehr sein.
Sebastian E.: „Viele vergessen, dass es auch unter Alkoholeinfluss nicht erlaubt ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. Wir führen immer wieder Kontrollen durch und stellen fest, dass sich noch immer viel zu viele Erwachsene zutrauen, nach ein paar Gläsern Bier oder Wein noch hinter dem Steuer Platz zu nehmen. Wir werden dann, wenn wir ins ‚Röhrchen‘ pusten lassen, oft angegiftet, wir sollen uns doch lieber um die richtigen Verbrecher kümmern. Da fehlt uns jedes Verständnis, weil unter Alkohol hat man einfach keine vollumfängliche Kontrolle mehr über das Fahrzeug – und wie schnell kommt es dann zu einem Unfall mit Todesfolge, womöglich noch mit einem Kind.“
Michael P.: „Wir können bei den Alkoholfahrten nicht mehr mit stereotypen Rastern arbeiten. Ob männlich oder weiblich, jung oder alt – all das spielt da keine Rolle mehr. Was uns immer wieder nachdenklich stimmt: Manche Fahrer haben ein oder zwei Promille Alkohol im Blut, reden aber noch völlig klar.“ (Text/Fotos: CS)
Das Sachgebiet Prävention der Polizeiinspektion Havelland ist in der Schützenstraße 13, 14641 Nauen, Tel. 03321-400-1088 erreichbar. Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Webseite www.polizei-beratung.de. Anzeigen, Hinweise sowie Meldungen etc. können auch unter www.polizei.brandenburg.de online abgegeben werden.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Wunsch nach einem sicheren Leben ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. Ich bin davon überzeugt, dass sich Prävention auf Dauer für die Gemeinschaft auszahlt. Als Leiter der Polizeiinspektion Havelland freue ich mich sehr über die Chance, die verschiedenen Tätigkeitsfelder unserer polizeipräventiven Maßnahmen im Rahmen einer neuen Artikelserie in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ umfassend darzustellen. Die Berichte in dieser Ausgabe und in den folgenden Magazinen sollen Sie informieren und so zur Erhöhung Ihrer Sicherheit beitragen.
Lutz Gündel, Polizeidirektor, Leiter der Polizeiinspektion Havelland
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 160 (7/2019).
Der Beitrag Die Präventionsseiten der Polizei: Folge 5 – Drogen im Havelland erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.