Am 2. Juli kam es zur Stichwahl in Falkensee. Wer soll Bürgermeister werden: Dr. Jan Pollmann oder der parteilose Heiko Richter? 18.404 Bürger gingen zur Wahl, 18.193 Stimmen waren gültig. 7.681 Bürger stimmten für Jan Pollmann, 10.512 für Heiko Richter. Damit steht fest: Der Nachfolger von Bürgermeister Heiko Müller trägt Hut. Und beim Vornamen braucht man sich nicht umzugewöhnen. Die Amtszeit von Heiko Richter beginnt am 1. November. Uns stand er für ein erstes Interview zur Verfügung.
Alle waren von deiner Kandidatur überrascht: Warum hast du kurz vor dem Anmeldeschluss noch rasch deinen Hut in den Ring geworfen?
Heiko Richter: „Die Antwort ist ganz einfach: Falkensee. Meine Kandidatur war auch kein spontaner Einfall. Mit dem Gedanken bin ich schon ein halbes Jahr schwanger gegangen. Am Ende habe ich mir gesagt: Jetzt habe ich die Möglichkeit, etwas mit zu bewegen. Natürlich habe ich das vorab mit meiner Familie besprochen und mir ihren Segen geholt. Bei so etwas braucht man die volle Unterstützung.“
Warst du überrascht vom starken Support der Falkenseer?
„Ja. Das war schon der Wahnsinn. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich schon wieder Gänsehaut. Alleine die vielen Plakate an den Zäunen der Falkenseer Grundstücke. Ich habe vielleicht 15 oder 20 Banner selbst an Zäunen angebracht, wo ich die Erlaubnis hatte – also bei mir selbst, bei der Familie, bei Nachbarn und bei Freunden. Die Leute sind dann aber plötzlich selbst zur Werbefirma gefahren und haben von sich aus nach weiteren Bannern gefragt, um sie bei sich aufzuhängen. Der Betreiber hat später erzählt, dass er bei 200 Bannern aufgehört hat zu zählen. Die Leute sind auch zu ihm hingefahren und haben ihre Autos bekleben lassen, um mich zu unterstützen. Damit hatte ich überhaupt gar nichts direkt zu tun. Und zum Ende hin liefen auf einmal ganz viele Falkenseer mit meinen Hüten herum, wir haben bestimmt 700 bis 800 Stück verteilt.“
Ich hatte den Eindruck, dass dich sehr viele Bürger gewählt haben, die ansonsten nie zur Wahl gegangen wären.
„Ich hatte nicht nur selbst den Eindruck, das haben mir auch ganz viele Bürger gesagt. Nachdem ich meinen Hut in den Ring geworfen hatte, kamen viele zu mir und meinten: ‚Jetzt wissen wir endlich, wen wir wählen können‘. Ansonsten wären die nicht zur Wahl gegangen.“
Womit hast du im Wahlkampf am meisten punkten können?
„Ich denke mit meinem Bekanntheitsgrad. Meine Arbeit im Schrääg, in der Stadthalle und bei vielen Osterfeuern und anderen Events haben eben doch dafür gesorgt, dass ich in Falkensee so bekannt bin wie der sprichwörtliche ‚bunte Hund‘. Und auch die Parteiunabhängigkeit, denke ich. Und vielleicht auch so etwas wie Bürgernähe. Am meisten freut mich, dass mir die Leute noch immer ihr Vertrauen aussprechen, obwohl ich noch keine Verwaltungserfahrung habe und nicht aus der Politik komme. Da bin ich schon ein bisschen stolz drauf, dass es mir die Leute zutrauen, Bürgermeister nicht nur zu werden, sondern auch zu sein.“
Wie siehst du dein Verhältnis zu den anderen Kandidaten aus dem Wahlkampf?
„Dafür, dass man sich vorher eigentlich so gut wie überhaupt nicht kannte, haben wir uns in den beiden Monaten vor der Wahl recht gut kennengelernt. Dabei sind wir uns eigentlich immer mit Respekt begegnet. Da war keiner dabei, wo ich sagen würde, das wäre ein kompletter Ausfall gewesen. Mit Herrn Pollmann von der CDU hatte ich ja vor der Stichwahl bis zum Schluss letztlich am meisten zu tun. Ich fand es sehr gut und fair, dass er am Ende zu mir gesagt hat: ‚Bis jetzt waren wir Konkurrenten, ab jetzt arbeiten wir zusammen.‘ Tolles Statement von ihm. Und das nehme ich ihm auch ab.“
Du hast die Wahl gewonnen, was ging dir danach durch den Kopf?
„Erst einmal gar nichts. Man ist ja in dem Moment wie in einer Art Tunnel. Auf meiner Wahlparty habe ich glaube ich eine Stunde lang nur Leute umarmt und Glückwünsche entgegengenommen. Die Leute waren dabei sehr emotional, hatten teilweise sogar Freudentränen in den Augen.“
Hat ein Bürgermeister überhaupt die Macht, das zu tun, was er möchte?
„Es ist nicht so, dass der Bürgermeister wie ein Diktator in seinem Sessel sitzt und abwechselnd den Daumen nach unten und nach oben streckt – und bestimmt, was heute und was morgen getan wird. Er ist an die engen Vorschriften und Grenzen gebunden, die es für ihn nun einmal gibt. Er ist der Verwaltungschef, der die Verwaltung lenkt und führt. Ich denke, wir haben eine gute Verwaltung. Ich sehe mich da als Moderator und auch als Mediator.“
Bürgermeister Richter: Darf man dich nach dem 1. November weiter duzen?
„Die Frage kam tatsächlich schon auf – etwa aus der Verwaltung und auch von Leuten, die ich schon gefühlt tausend Jahre kenne. Da haben mich Leute gefragt: ‚Wenn du mein Chef wirst, darf ich dann weiter Du zu dir sagen?‘ Ich habe damit überhaupt keine Probleme. Ich werde ja nicht zu einem anderen Menschen, nur weil ich jetzt einen anderen Job habe. Natürlich geht es dabei auch um Respekt. Aber wenn der Respekt nur am Du oder am Sie hängt, läuft auch irgendetwas falsch. Ich habe über das Thema tatsächlich auch mit anderen Bürgermeistern gesprochen und die meinten alle zu mir, das ergibt sich schon ganz von alleine.“
Du bist parteilos. Ist das nach der Wahl weiter ein Vorteil? Auch in Bezug auf die Arbeit mit den Stadtverordneten?
Ich sage an dieser Stelle immer noch Ja. Es war in der Vergangenheit schon ab und an so, dass ein eigentlich guter Vorschlag abgelehnt wurde, wenn er von einer anderen Partei kam. Natürlich habe ich keine starke Fraktion hinter mir und muss bei jedem Thema immer wieder bei Null anfangen. Aber: Ich kann dafür immer auf Augenhöhe mit jedem SVV-Mitglied sprechen. Ich habe mir vorgenommen, schon vor den Sitzungen Kontakt mit den SVV-Mitgliedern aufzunehmen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. So wie ich die letzte SVV erlebt habe, so darf es auf gar keinen Fall weitergehen.“
Wie bereitest du dich auf das Amt des Bürgermeisters vor?
„Meine Abendlektüre ist zurzeit die Kommunalverfassung. Die lese ich mir gerade durch, um die Grundregeln kennenzulernen. Wo es rechtlich bereits möglich ist, werde ich auch schon ein bisschen in die Verwaltung hineinschnuppern.
Ich hatte eigentlich vor, in die Verwaltung zu gehen, mich in ein Büro zu setzen und einfach einmal zuzugucken. Das geht aber leider noch gar nicht. Das kann ich erst ab dem 1. November machen. Bis zu diesem Datum bin ich ein Bürger wie jeder andere auch. Als Gast durfte ich immerhin schon bei einer Klausurtagung mit dabei sein und hier erste Einblicke gewinnen.“
Hast du bereits Kontakt zu den Menschen in der Falkenseer Verwaltung?
„Natürlich. Ich glaube auch, viele Mitarbeiter freuen sich jetzt auf die Zusammenarbeit mit ‚dem Neuen‘, weil sie wissen, dass ich ein völlig anderer Typ bin und einige Dinge vielleicht anders angehen werde. Letztens war ich bereits bei einem Sommerfest von einem Dezernat eingeladen. Das ist natürlich toll, wenn man abseits vom Arbeitsplatz mit den Leuten ins Gespräch kommt und sie auch privat schon ein bisschen kennenlernen kann.“
Steht dir später im Rathaus jemand beratend zur Seite?
„Die ganzen Mitarbeiter im Rathaus werden mir sicherlich helfen. Die haben mir gegenüber ja ein paar Jahre Vorsprung und entsprechende Erfahrung. Auch die Dezernatsleiter, die ich ja bei der Klausurtagung kennengelernt habe, werde ich immer ansprechen können. Ich habe auch Heiko Müller gefragt, ob ich mich vertrauensvoll an ihn wenden kann, wenn ich eine Frage habe. Er hat gesagt: ‚Jederzeit‘.“
Kannst du das Rathaus-Personal eigentlich auch ersetzen?
„Du meinst feuern? Das ist ja in einer klassischen Firma schon schwer. Jetzt reden wir aber sogar noch vom öffentlichen Dienst. Teilweise sind die Mitarbeiter verbeamtet. Das wäre sehr schwer.
Aber – das habe ich auch überhaupt gar nicht vor. Ich bin mir sicher, dass wir sehr gute Leute vor Ort haben. Ich bin mir auch sicher, dass sie besser sind als teilweise ihr Ruf, denn oft werden Zusammenhänge falsch oder unvollständig dargestellt, und so wird der Einsatz der Mitarbeiter ab und an zu wenig geschätzt und gewürdigt.“
Gibt es für dich ein eigenes „Heiko-Projekt“, so wie etwa das Hallenbad für den Altbürgermeister?
„Nein. Ich habe nichts im Kopf, bei dem man ganz viele Steine aufeinander setzt und etwas Neues baut. Die Schwerpunkte für mich sind ganz klar das Ehrenamt, die Vereine, die Kultur, die Bildung und die Infrastruktur allgemein. Das sind die Themen, bei denen man meiner Meinung nach zeitnah einiges bewirken kann. Ich habe aber kein Projekt im Sinn, mit dem ich mir sozusagen ein Denkmal setzen würde.“
Du bist selbstständig und es gewohnt, Dinge schnell zu entscheiden. Jetzt stehen sehr langwierige Entscheidungsprozesse an. Kommst du damit klar?
„Na, das muss ich ja. Das wird sicher die gravierendste Umstellung für mich sein. Aber selbst in diesem Kontext kann man vielleicht mit einem anderen Blickwinkel neue Wege eröffnen, die vorher niemand für möglich gehalten hat.
Da lohnt es sich vielleicht schon, sich vor einer SVV mit den Fraktionsvorsitzenden zusammenzusetzen. Da kann man vielleicht Dinge klären, die anschließend nicht stundenlang ausdiskutiert werden müssen. Denn sind die Fronten in der SVV erst einmal verhärtet, ist es einfach zu spät. Ich unterstelle einmal, dass alle Stadtverordneten für Falkensee das Gleiche wollen wie ich – nur das Beste. Vielleicht kriegen wir das ja unter einen Hut.“
Wird es nun im Rathaus einen speziellen Heiko-Style geben?
„Ja. Ich denke mal schon. Es ist aber nicht so, dass ich mir bewusst einen Style ausdenke und den dann durchziehe. Ich arbeite einfach von Hause aus ganz anders. Ich glaube, wichtig wird es sein, den Mitarbeitern von Anfang an Vertrauen zu schenken und auch mal freie Hand zu lassen. Ich denke, sie werden besser und kreativer, wenn sie manche Dinge auch eigenständig entscheiden können – alles natürlich im erlaubten Rahmen.
Die, die täglich mit bestimmten Vorgängen beschäftigt sind, wissen ja am besten, was man besser machen oder wie man Arbeitsabläufe verkürzen kann. Vielleicht kommen die Mitarbeiter selbst auf Lösungen, die mir nie einfallen würden. Ich mache das ja in meiner Firma auch so: Wenn ich merke, dass jemand gut ist in seinem Job, ziehe ich mich zurück, beobachte, korrigiere zur Not und lasse sie oder ihn einfach mal machen und sich entfalten.“
Viele Leute werden nun sagen: Der Heiko, den kenn ich, der löst als Bürgermeister so manches Problem für mich. Hast du schon geübt, Nein zu sagen?
„Natürlich, aber das konnte ich durchaus auch schon vorher.
Die Leute wissen ganz genau, dass so etwas nicht geht. Als Bürgermeister kann man eben nicht alle Wünsche erfüllen. Damit unterschätzt man glaube ich auch die Wähler, wenn man ihnen unterstellt, dass sie so ticken.“
Klar ist: Nicht jede Entscheidung des Bürgermeisters wird jedem gefallen. Kannst du mit Ablehnung und Shitstorms umgehen?
„Das habe ich spätestens im Wahlkampf gelernt. Extrem sogar. Ich habe aber noch nie auf Behauptungen in den sozialen Netzwerken reagiert, auch wenn sie noch so falsch und idiotisch waren und teilweise sehr weh taten. Mein Fell ist aber definitiv im Wahlkampf dicker geworden.“
Wann gibst du den Job als Veranstaltungsmanager der Stadthalle ab?
„Am 31. Oktober. Natürlich plane ich bis dahin noch weiter. Wir haben auch schon bindende Verträge bis 2030.“
Was passiert nun mit deiner eigenen Event-Firma?
„Die Firma übergebe ich an meine Frau Daniela und an meinen Sohn Paul. Ich selbst werde mich komplett aus dem Unternehmen zurückziehen. Ich bin auch total froh, dass ich jemanden habe, an den ich die Firma übergeben kann. Es gibt ja so viele Handwerker und Gewerbetreibende in Falkensee, die keinen haben, der ihre Firma einmal übernehmen könnte.“
Wird man dich jetzt ohne Hut und dafür im Anzug sehen?
Nö. Wobei: Viele lachen jetzt bestimmt, aber ich habe tatsächlich fünf, sechs Anzüge im Schrank zu hängen. Ich ziehe die auch gern an, etwa zu Neujahrsempfängen oder festlichen Anlässen. Ich fühle mich sogar wohl in einem Anzug – aber bitte nicht an jedem Tag. Der Hut bleibt. Der ist ja nicht nur mein Markenzeichen. Ich trage ihn auf den Rat der Falkenseer Kosmetikerin Thordis Komoll, um meine Glatze vor der Sonneneinstrahlung zu schützen.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 209 (8/2023).
Der Beitrag Interview: Im November übernimmt Heiko Richter die Amtsgeschäfte als Bürgermeister in Falkensee! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).