In den Sommerferien war Brandenburgs Sozialministerin Ursula Nonnemacher im Havelland unterwegs, um in den Kommunen für den „Pakt für Pflege“ zu werben. Der Pakt stellt 20 Millionen Euro zur Verfügung, die dabei helfen sollen, hilfebedürftige Senioren möglichst lange in ihren eigenen Wohnungen leben zu lassen. Die ambulante Pflege als Alternative zum Heim stellt nämlich nicht so hohe Anforderungen an den Personalschlüssel.
Ursula Nonnemacher ist seit 2019 die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz im Land Brandenburg. Wenn es um das Thema Senioren und Pflege geht, wird sie ganz deutlich: „Brandenburg hat gemeinsam mit den ostdeutschen Flächenländern die älteste Bevölkerung. Dies liegt auch daran, weil viele junge Leute nach der Wende in den Westen gezogen sind, um dort zu arbeiten. Die geblieben sind, haben zugleich weniger Kinder bekommen.“
Dieses Phänomen nennt man übrigens „Wendeschock“.
Fakt ist: Nicht alle älteren Menschen bleiben leider bis in ihre späten Jahre so fit wie ein Turnschuh. Viele sind irgendwann auf eine Pflege durch die Familie oder entsprechendes Personal angewiesen.
Ursula Nonnemacher: „Wir sehen bei der Ausbildung von neuem Pflegepersonal zum Glück eine recht gute Entwicklung. Aber dieser gute Trend reicht nicht für den immensen Mehrbedarf aus, den wir bald haben werden. Wir möchten deswegen den Wunsch der Menschen fördern, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben. Eine ambulante Pflege in der bekannten Umgebung bindet nicht so viele Pflegekräfte wie etwa ein Seniorenheim, in dem drei Schichten zu besetzen sind. Wir müssen die wenigen Kräfte, die wir haben, möglichst zielgerecht einsetzen.“
So kommt es zum Paradigmenwechsel. Der „Pakt für Pflege“ ist die Fortsetzung der 2015 aufgenommenen Pflegeoffensive des Landes Brandenburg. Das Förderprogramm vom Sozialministerium in Brandenburg wurde gerade noch einmal bis Ende 2023 verlängert. 20 Millionen Euro können direkt von den Kommunen beantragt werden, um Projekte zu finanzieren, die gezielt den Senioren im jeweiligen Ort zugute kommen.
Ursula Nonnemacher: „Der Pakt für Pflege ist eine bundesweit einmalige Fördermöglichkeit, die erstmals die kleinen Kommunen unterhalb der Kreisebene anspricht. Diese können Gelder beantragen, um kleinteilige Maßnahmen zu finanzieren, die dabei helfen sollen, Senioren so lange wie möglich den Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen.“
Der „Pakt für Pflege“ basiert auf vier Säulen. Es geht um das Förderprogramm „Pflege vor Ort“, die Förderung des Ausbaus der Pflegeberatung, insbesondere der Pflegestützpunkte, ein Investitionsprogramm für die Kurzzeit- und Tagespflege sowie außerdem um Maßnahmen zur Fachpersonalsicherung über die Schaffung attraktiver Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen.“
Am 19. Juli besuchten Ministerin Ursula Nonnemacher und Landrat Roger Lewandowski gemeinsam den Pflegestützpunkt Gesundheitszentrum Falkensee, um sich ein Bild von der Situation zu machen.
Regina Lößner ist Sozialamtsleiterin in der Landkreisverwaltung Havelland und verantwortlich für den Pflegestützpunkt: „Uns gibt es seit 2011. 2013 wurden zwei Außenstellen in Nauen und Rathenow eröffnet. Der ‚Pakt für Pflege‘ hat es uns ermöglicht, zwei neue Stellen zu schaffen, um diese Außenstellen auch zu besetzen. Außerdem haben wir zwei Dienstfahrräder angeschafft, damit unsere Sozial- und Pflegeberater mehr Hausbesuche durchführen können. Wir sind eine reine Beratungsstelle. Bei uns geht es darum, wie man einen Schwerbehindertenausweis beantragt, einen Pflegegrad feststellt oder was bei einer Demenz getan werden kann. Auf das Thema Pflege bereitet sich niemand rechtzeitig vor. Oft kommen die Menschen erst zu uns, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.“
Ursula Nonnemacher: „Leider eskaliert die Situation meist ganz schnell. Nach einem Brand in der Küche oder einem Sturz mit Oberschenkelhalsbruch heißt es oft, jetzt gibt es nur noch die Option Heim. Wir können aber schon viel früher eingreifen, etwa mit einer Sturzprävention oder einem Umbau in der Küche.“
Regina Lößner: „Allein durch eine Beratung können wir dafür sorgen, dass Senioren länger in der ambulanten Pflege gehalten werden. Da reicht es oft schon aus, das Bad alltagstauglich umzubauen. Wir zeigen in einer Musterwohnung in Rathenow, wie man eine Seniorenwohnung mit einfachen Mitteln aus dem Baumarkt deutlich sicherer macht. Beim Kochen gibt es etwa eine Elektrounterbrechung, die alle zehn Minuten gedrückt werden muss, sonst geht der Herd von alleine aus.“
Ursula Nonnemacher: „Wenn man alle vorhandenen Hilfen konsequent nutzen würde, könnte man so manchen Heimaufenthalt verhindern oder herauszögern.“
Der „Pakt für Pflege“ kann ebenso kleinteilig wie auch kreativ fördern. Ursula Nonnemacher: „Das können Erzählcafés sein, Treffpunkte oder gemeinsame Frühstück-Events. Alles ist gut, was Menschen aus der Vereinsamung holt. Wer sich ganz aus dem öffentlichen Leben zurückzieht, hat ein höheres Risiko für eine Depression. Den Menschen geht es besser, wenn sie merken, dass sie gebraucht und wertgeschätzt werden.“
In Premnitz gibt es so etwa einen Rufbus nur für Senioren, der sie zum Arzt, zum Einkaufen oder zu Veranstaltungen fährt. In Milow wird eine Projektstudie durchgeführt, die klärt, wie vorhandener Wohnraum altersgerecht umgebaut werden kann. Und in Falkensee hat der Seniorenbeirat eine aufwändige Umfrage gestartet, um herauszufinden, was sich die Senioren von ihrem Ort wünschen.
Landrat Roger Lewandowski: „Das Havelland ist übrigens der jüngste Landkreis in Brandenburg. Dennoch sind 39.000 unserer Bewohner 65 Jahre alt oder älter. Das sind 23 Prozent. 9.000 von ihnen sind pflegebedürftig, 3.600 haben Demenz.“
Umso wichtiger ist es, die Fördermittel vom „Pakt für Pflege“ in Anspruch zu nehmen. Ursula Nonnemacher: „9 von 13 Kommunen im Havelland haben bereits Mittel abgerufen. Vier haben es noch nicht getan, darunter auch Wustermark, Schönwalde-Glien und Brieselang. Deswegen besuche ich gerade alle Kommunen persönlich, um für den Pakt zu trommeln. Natürlich muss man auch verstehen, warum manche Kommunen zögerlich sind. Denn wie wird es mit einzelnen Projekten weitergehen, sobald die Förderung ausläuft?“
Wie viel Geld die einzelnen Kommunen aus dem Plan abrufen können, hängt von ihrer Größe und dem jeweiligen Anteil der Senioren an der Bevölkerung ab. Falkensee hat seine Zuweisung von 120.600 Euro bereits komplett ausgenutzt und abgerufen.
Ursula Nonnemacher: „Heiko Müller, der Bürgermeister von Falkensee, hat früh erkannt, was mit den Wachstumsmetropolen im Speckgürtel passiert. Das kann man auch in Kleinmachnow beobachten. Junge Familien mit Kindern ziehen aus Berlin in einen Ort wie Falkensee. Hier gibt es bald keinen freien Wohnraum mehr, sodass der Zuzug stark gebremst wird. So wird der Ort mit der Zeit immer älter. Es macht wirklich Sinn, sich mit der Demographie zu beschäftigen. Denn was macht man mit den Kitas, die heute gebaut werden, in zwanzig Jahren? Gut ist, wenn man sie jetzt schon so plant, dass daraus einmal ein Seniorentreffpunkt werden kann.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 197 (8/2022).
Der Beitrag Pakt für Pflege: Ministerin Ursula Nonnemacher trommelt bei den Kommunen! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).