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Channel: Seite 13 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Blumen aus Eis: „Karat“ spielte im 46. Jahr in der Falkenseer Stadthalle!

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Die 1975 in der DDR gegründete Band „Karat“ blickt auf eine bewegte Geschichte, auf viele große Hits und auf zahlreiche Fans in Ost und auch West zurück. Zum 45. Jubiläum wollte die Band zu einer Akustik-Tournee durch ganz Deutschland aufbrechen. Corona hat leider dafür gesorgt, dass die meisten Konzerte ins 46. Jahr verschoben wurden. Am 13. Dezember war „Karat“ auch in der Falkenseer Stadthalle zu sehen.

Das Lied „Über sieben Brücken“ stammt gar nicht von Peter Maffay. Geschrieben haben es Herbert Dreilich und Ed Swillms von „Karat“. Oft wurde das deutschsprachige Lied mit seinen Wurzeln in der alten DDR in den vergangenen Jahren gecovert. Das gilt auch für viele weitere „Karat“-Songs. Gregor Meyle, Heinz Rudolf Kunze, Helene Fischer, Chris de Burgh, Jan Josef Liefers und Max Raabe gehören zu den Interpreten, die schon einmal einen „Karat“-Titel nachgesungen haben.

Die rockige Bands hat sich mit ihren Hits wie „Gewitterregen“ oder „Schwanenkönig“ nie verbogen und auch nie versucht, sich von der deutschen Sprache zu verabschieden, um mit englischen Texten vielleicht international Karriere zu machen.

Die Beharrlichkeit hat sich gelohnt. 12 Millionen Tonträger machen eine deutliche Ansage. Dass die Fans auch nach 45 Jahren immer noch da sind, zeigte das große Interesse an der Akustik-Tour, die für das Jahr 2020 angesetzt wurde. Leider sorgten die Corona-Beschränkungen dafür, dass viele Konzerte nicht stattfinden konnten. Sie wurden ins Jahr 2021 verschoben – und wurden hier mitunter auch schon wieder ein Opfer der neuerlichen Corona-Bestimmungen.

Sänger Claudius Dreilich, der seinen verstorbenen Vater auf der Bühne beerbt hat: „Unsere Tournee ist durch Corona ganz anders verlaufen, als wir uns das ursprünglich vorgestellt haben. Anfang des Jahres waren wir etwa in Berlin in der Columbia-Halle, da passen normalerweise 3.000 Menschen rein. Als wir da waren, war sie schon mit 285 Leuten ausverkauft. Wir haben uns aber gesagt: Jedes Konzert, das wir spielen können, das spielen wir auch.“

Diese Ansage galt auch für Falkensee und die Stadthalle. Hier konnte das Konzert am 13. Dezember nur unter strengen 2G-Maßnahmen stattfinden. Der hohe öffentliche Druck, Veranstaltungen zu meiden, sorgte sicherlich auch dafür, dass in der Halle viele Plätze frei blieben. „Karat“ ließ sich davon nicht beirren und spielte mit ordentlich Wucht, Freude an der eigenen Musik und guter Laune. Claudius Dreilich: „Ihr Leute in Falkensee, so intim kommen wir doch nie wieder zusammen.“

Bäckermeister Dirk Ziehm aus Falkensee freute sich jedenfalls: „Ich bin mit ‚Karat‘ aufgewachsen, damals in der DDR. Wir haben das bereits in unserer Armee-Zeit gehört. ‚Karat‘ ist uns aufgefallen, weil die tolle Melodien geschrieben haben. Ich hab mir damals eigentlich kaum eine LP gekauft, aber der ‚Blaue Planet‘ von ‚Karat‘, die war auf jeden Fall dabei. Ich kann mich erinnern, dass ‚Karat‘ gleich nach der Wende im Falkenseer ‚Seeblick‘ gespielt haben, da waren wir alle da.“

Keine Frage: Dank der grassierenden vierten Corona-Welle war die Stimmung in der Stadthalle am Anfang des Konzerts zunächst noch abwartend und verhalten.

Claudius Dreilich am Mikrofon, Bernd Römer an der Gitarre, Christian Liebig am Bass, Martin Becker am Keyboard und Michael Schwandt am Schlagzeug gaben sich aber alle Mühe, dagegen anzuspielen.

Die mitgebrachten Songs hörten sich in den kraftvoll gespielten Akustik-Versionen jedenfalls ganz besonders gut an. Martin Becker überzeugte dabei sogar mit einigen treibenden Mundharmonika-Soli. Die ‚Karat‘-Songs entwickelten in der Akustik-Version jedenfalls ein mitreißendes Blues-rockiges Feeling. Viele Songs wurden dabei ordentlich in die Länge gezogen, was völlig in Ordnung ist: Nur im Radio muss das Lied nach drei Minuten vorbei sein.

Claudius Dreilich: „Es war gar nicht so leicht, aus unseren Liedern akustische Nummern zu machen. Nicht jeder Song ist für diese Spielart geeignet. Ein Titel aber, der lief sofort sauber durch, der klingt auch in der Akustik-Fassung sehr schön. Das ist ‚Blumen aus Eis‘. Der darf eh in keinem Konzert von uns fehlen. Einmal haben wir ihn weggelassen. So doll wurden wir noch nie beschimpft.“ Genau bei diesem Song brach das Eis, die Zuhörer im bestuhlten Saal sprangen auf, pfiffen und reckten die Rocker-Fäuste zur Decke. Altersmäßig passte das Publikum zur Band – man ist gemeinsam alt geworden.

Emotional wurde es noch einmal, als Claudius Dreilich daran erinnerte, wie er als Sohn von Ur-Sänger Herbert Dreilich mit der Band groß geworden und 2004 nach dem Tod des Vaters selbst ans Mikrofon getreten ist, um ‚Karat‘ weiter bestehen zu lassen: „46 Jahre, das ist eine lange Zeit voller Erinnerungen und mit vielen tollen Konzerten. Es gab aber auch viel Schatten. ‚Karat‘ ist eine Band, die von sehr vielen Schicksalsschlägen gebeutelt wurde.“ In der Folge war das nächste Lied auch „für Papi“ gedacht – es war der Song „Mich zwingt keiner auf die Knie“.

„Karat“ zeigte mitten im Konzert ein Gespür für die seltsame Corona-Stimmung im Land. Claudius Dreilich: „Eine Sache beunruhigt und stört uns sehr. Es herrscht eine merkwürdige Stimmung zurzeit. Gegen alles und jeden. Wir spüren sehr viel Aggressivität. Deswegen bitten wir euch: Macht da nicht mit. Helft euch, tut einfach mal etwas füreinander. Passt auf eure Seele auf.“

Nach anderthalb Stunden ertönten die typischen ersten Synthesizer-Klänge vom „Blauen Planet“. Das Lied wurde 1982 geschrieben und wirkt im Kontext der Klimakrise heute aktueller denn je: „Tanzt unsere Welt mit sich selbst schon im Fieber“.

Bei dem Lied stolperte Bernd Römer mit der Gitarre und verlor Martin Becker die Kontrolle über das Keyboard. Da erkannte man die Profis – der kleine Aussetzer wurde mit einem Scherz überspielt und eine Minute später lief alles schon wieder.

Dann durfte es noch einmal ein bisschen Gänsehaut geben, als das Lied „Über sieben Brücken“ angekündigt wurde und die ganze Halle à capella und textsicher die ersten Strophen sang. Nach 105 Minuten war das Konzert zunächst zuende. Claudius Dreilich gab aber zu: „Es macht Spaß mit euch.“ Also war auch noch eine Zugabe drin. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 190 (1/2022).

Der Beitrag Blumen aus Eis: „Karat“ spielte im 46. Jahr in der Falkenseer Stadthalle! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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