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Channel: Seite 13 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Drückjagd im Brieselanger Forst: Mit den Jägern unterwegs!

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Dichter Nebel hängt morgens um acht am 27. November zwischen den Bäumen. Es ist nass, kühl und ungemütlich. Revierförsterin Heike Schubert (58) strahlt trotzdem über das ganze Gesicht. Sie organisiert eine neue Ansitz-Drückjagd – wie in jedem Jahr um diese Zeit. 19 Schützen, 12 Treiber und fünf Hunde stehen bereit, um das Wild im Brieselanger Forst zu dezimieren. Der Grund: Es fehlt an natürlichen Feinden, um den Bestand von Wildschweinen und Rehwild in einem verträglichen Rahmen zu halten.

Der Wolf ist zwar als Raubtier wieder in Brandenburg heimisch geworden – allerdings nicht in so großer Schlagzahl, als dass man es am Tierbestand im Wald bemerken würde.

Die Schützen nehmen als erstes ihre Position auf den Ständen im Wald ein. Hier werden sie ausharren und darauf warten, dass ihnen in den kommenden vier Stunden das Wild vor die Flinte getrieben wird.

Heike Schubert geht mit den Treibern mit. Sie achtet darauf, dass alle Teilnehmer orangene Warnwesten anhaben und auch ein gleichfarbiges Käppi tragen. Auch die Hunde sind in Neonfarben markiert. Man möchte ja im Wald nicht für ein Wildschwein gehalten werden. Nicht heute!

Heike Schubert: „Der Nebel ist kein Problem für uns. Die Sicht beträgt ohne Probleme 50 Meter. Und weiter schießen die Schützen auf den Ständen eh nicht. Sie brauchen ja ein sicheres Schußfeld.“

Sechs Treiber bilden eine Einheit. Sie stellen sich etwa 50 Meter voneinander entfernt in eine Reihe und gehen dann gleichzeitig in den Wald. Dabei machen sie ordentlich Krach.

Heike Schubert: „Ein Rentner hat mir ein paar Klappern gebaut, die wurden früher in Pommern bei der Jagd verwendet. Sie werden aus Weidenholz gemacht, das ist sehr leicht. Da trägt sich die Klapper besser. Der Lärm ist wichtig, da die Wildschweine an Menschen und Geräusche gewöhnt sind. Die bleiben sonst liegen – und man läuft direkt an ihnen vorbei.“

Um 8:15 Uhr beginnt das Treiben. Dann werden auch die Jagdhunde „geschnallt“, also von der Leine gelassen. Sie rennen kreuz und quer mit der Nase im Laub durch den Wald und suchen nach einer passenden Fährte. Immer wieder schallt ihr lautes Kläffen durch die Bäume, wenn sie weit voraus fündig geworden sind. Heike Schubert: „Man kann bereits am Ton des Bellens hören, ob sie ein Wildschwein oder ein Reh gefunden haben.“

Die Treiber bekommen es im „Brieselang“, wie der Waldabschnitt genannt wird, in jedem Bereich zwischen den Wegen mit einer neuen Vegetation zu tun. Mal kann man gemütlich unter den Bäumen flanieren, mal kraucht man durch dichtes Gestrüpp, dann krabbelt man über umgestürzte Bäume hinweg. Knapp 2,5 Kilometer misst die Hin-Strecke, dann geht es die gleiche Entfernung wieder zurück. Es fühlt sich an wie ein Gewaltmarsch durch eigentlich nicht begehbares Gelände. Man kann sich durchaus vorstellen, wie sich hier die Wildschweine im Unterholz verstecken.

Was tut man eigentlich, wenn plötzlich so ein Tier aufspringt? Kein Treiber hat eine Waffe dabei. Heike Schubert: „Bloß nicht weglaufen, die Schweine sind sowieso schneller. Ganz ruhig stehen bleiben, richtig Krach machen – jeder Jäger rät da zu etwas anderem. Aber eigentlich laufen die Tiere ja von uns weg.“

Von wegen: Auf einmal ruft ein Treiber „Keiler läuft!“ Und schon prescht ein großer schwarzer Keiler parallel zur Reihe der Treiber durch das Unterholz – und damit in die falsche Richtung.

Heike Schubert: „Das Revier ist vom Wildbestand her schon aufgeräumt, der Bestand ist nicht mehr so hoch wie an anderer Stelle. Uns fällt auf, dass wir es bei den Wildschweinen zunehmend mit einzelnen Tieren zu tun bekommen und nicht mehr mit ganzen Rotten wie früher. In Hinsicht auf die afrikanische Schweinepest ist das gut.“

Auf dem Weg durch den Brieselang fallen immer wieder tote Fichten auf. Sie sind oben kahl, unten blättert bereits die Borke vom Stamm. Der Borkenkäfer hat hier ganze Arbeit geleistet. Revierförsterin Heike Schubert: „Wir haben hier einen tollen Wald mit viel Potenzial. Wir sind dabei, vor Ort einen richtigen Laub-Mischwald aufzubauen. Ich bin hocherfreut, dass zwischen den toten Bäumen bereits Buchensprößlinge nachwachsen. Der Wald verjüngt sich an diesen Stellen von selbst.“

Des Försters größter Grimm zeigt sich, als in einem anderen Waldabschnitt plötzlich ein Reh aufspringt und entfleucht. Dort, wo es eben noch gestanden hat, entdeckt die Försterin in Kniehöhe viele frische Bißstellen: „Hier hat das Reh die frischen Triebe der nachwachsenden Bäume abgefressen. Dieser Verbiß sorgt dafür, dass die Bäume nie gerade in die Höhe wachsen.“

Nur selten sind an diesem Tag die laut knallenden Schüsse der Jäger zu hören. Ein Grund zeigt sich am nächsten Hochstand, den die Treiber passieren: Die Jägerin, die hier auf das Wild wartet, hat einen Schalldämpfer auf dem Gewehr aufgeschraubt: „Das ist besser für meine Ohren.“

Zu den Treibern gehört auch Nina R. (43) aus Falkensee. Sie ist zum ersten Mal dabei: „Ich habe noch keinen Jagdschein, überlege aber, einen zu machen. Ich wäre damit die erste in meiner Familie. Ich gucke noch, ob das mein Ding ist. Ich habe zwei Retriever, mit denen ich Dummy-Sport betreibe. Das ist ja bereits an die Jagd angelehnt. Ich könnte mir gut vorstellen, meine Hunde in dieser Hinsicht auszubilden. Ich weiß nur noch nicht, ob ich im Ernstfall auch mit der Waffe schießen könnte, das muss sich dann noch zeigen.“

Margret Georgi (58) ist extra aus Michendorf angereist, sie hat als Försterin ein eigenes Revier vor Ort. Sie bringt ihre beiden Hunde mit, einen 11-jährigen Deutschen Wachtelhund und einen 10 Monate alten Münsterländer: „Der Münsterländer lernt nun vom Wachtelhund, wie die Jagd funktioniert. Die Hunde leben dafür, die schlafen danach den ganzen Tag.“

Heike Schubert weiß, dass immer mehr Frauen zur Jagd drängen: „Wir wollten eigentlich schon in diesem Jahr eine reine Frauenjagd organisieren. Das müssen wir wegen Corona aber noch einmal schieben. Übrigens: Nachwuchsprobleme haben wir keine. Es gibt viele junge Jägerinnen und Jäger, die nach einem Begehungsschein und damit nach einem eigenen Jagdgebiet fragen. Viele Ehefrauen machen zurzeit ihren Jagdschein. Sie laufen erst mit ihrem Mann mit, schauen sich alles an und stellen sich dann auf eigene Füße.“

Als die Treiber am Ende ihrer ersten Stecke angekommen sind, ist „Aufbrechpause“. Die Schützen müssen nun das erlegte Wild aufbrechen, die Innereien herausholen und das Tier ausbluten lassen. Ansonsten würde das Fleisch an Qualität verlieren. Erst danach geht es weiter mit der Drückjagd. Zeit für die Treiber, zu den mitgebrachten Stullen zu greifen.

Um 11:30 Uhr ist „Hahn in Ruh“ – die Waffen schweigen, die Ansitz-Drückjagd ist vorbei. Heike Schubert: „Früher hätten die Jäger ins Horn geblasen, um die Jagd zu beenden, heute wird das Signal oft über das Handy weitergegeben.“

Corona-bedingt gibt es nach der Jagd kein Beieinander bei Suppe und heißen Getränken. Auch das Ausstellen der erlegten Strecke auf Tannenzweigen muss unterbleiben. Aber – es wäre auch ein mageres Ergebnis gewesen, das die Jäger in diesem Jahr hätten präsentieren können: Zwei Rehe und zwei Wildschweine wurden geschossen. Heike Schubert: „Weitere Ansitz-Drückjagden finden bis in den Januar hinein statt, dann ist die Saison zuende.“ (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 178 (1/2021).

Der Beitrag Drückjagd im Brieselanger Forst: Mit den Jägern unterwegs! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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