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Channel: Seite 13 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Nauen: Berliner Hof wird letztes Sanierungsprojekt von Michael Schob!

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Der Berliner Hof in der Goethestraße 54 war früher eines der imposantesten historischen Gebäude in der Nauener Altstadt. Das ursprüngliche Fachwerkhaus in der ehemaligen Breiten Straße (später Potsdamer Straße) wurde inklusive der Wirtschafts- und Stallgebäude auf dem Hof in der Zeit nach dem großen Nauener Stadtbrand, also etwa um 1710, errichtet.

Auf dem Hof befand sich damals eine Pferdewechselstation. Die Geschäfte liefen offensichtlich sehr gut und so ließ der damalige Eigentümer Wilhelm Kraatz 1895 den auch heute noch dominanten Seitenflügel als Ziegelbau, mit großer Küche im Keller, großem Ballsaal im Erdgeschoss und darüber liegenden Zimmern, errichten.

Bereits im Jahre 1901 erfolgte eine weitere Verschönerungsmaßnahme. Die einfache Fachwerkfassade in der Goethestraße wurde zu der auch heute noch erhaltenen repräsentativen Stuckfassade umgestaltet.

Bereits 1906 erwarb Herrmann Krause das schöne Anwesen. Er betrieb Ackerbau sowie einen Viehhandel und machte in der ehemaligen Bauernstube seine Geschäfte mit den Kunden. Der Gasthof hatte dadurch eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln und konnte im Gegenzug Kunden wie auch andere Gäste beherbergen. Er war ein Dreh- und Angelpunkt der Nauener Geschäftswelt. Laut Vermerken der Polizei-Verwaltung zu Nauen ließ Herrmann Krause im Jahre 1927 ein Stallgebäude als Garage für zwei Kraftwagen umbauen. Auch er wollte am gesellschaftlichen Aufschwung der 1920er Jahre teilnehmen.

Der Nauener Nachtwächter Wolfgang Wiech weiß zu berichten, dass der Eiserne Gustav seinerzeit Station im Berliner Hof gemacht hat. Der Kutscher aus Berlin-Wannsee brach 1928 zusammen mit dem Zeitungsreporter Hans Hermann Theobald zu einer Reise nach Paris auf, um gegen den Niedergang des Droschkengewerbes und die steigende Zahl von Autos zu demonstrieren. Auf dem Rückweg soll er in Nauen übernachtet haben.

In den dreißiger Jahren wurde der Gasthof durch den Sohn von Herrmann Krause übernommen. Walter Krause ließ 1939 in den Gasträumen eine Zentralheizung installieren.

Durch den beginnenden Krieg sollten die guten Zeiten dann wohl zu Ende gehen. 1941 wurde Walter Krause wegen „Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz“ verhaftet. Er hatte Essen an bedürftige Bürger ohne Lebensmittelkarten verkauft. Er wurde in einer Strafkompanie festgesetzt und kam nie wieder nach Hause zurück. Das Geschäft übernahm seine Frau Margarete Krause, die in den Wirren des Umbruchs nach dem Einmarsch der russischen Soldaten auf dem Hof erschossen wurde.

Der Großvater Herrmann Krause war nach seiner Heimkehr vom Feld überfordert vom Tod seiner Schwiegertochter und nahm sich daraufhin das Leben.
Die betagte Oma Berta Krause trug nun die Verantwortung für das ganze Anwesen auf ihren Schultern – und musste sich auch um ihre beiden kleinen Enkelkinder Helga Krause und ihren Bruder kümmern. Als Vormund und Vermögensverwalter wurde Alwin Jorks eingesetzt. Die Ländereien wurden verpachtet.

Im Jahre 1946 wurde der Berliner Hof geschlossen und als Büro der DRK genutzt. Danach pachtete die HO Nauen den Gasthof als Werksküche für ihre Beschäftigten. Später zog in das Gebäude ein FDJ-Jugendklub ein.

Nach umfangreichen Umbauarbeiten eröffnete die HO im Jahre 1958 den Berliner Hof wieder als Gaststätte und prägte die Geschichte vieler Nauener über einen Zeitraum von 43 Jahren. Helga Schulze (geborene Krause) stand in dieser Zeit als Verwalterin mit Herz, Hand und Seele erfolgreich lange Jahre hinter dem Vermächtnis ihrer Familie, konnte jedoch die Schließung der Gaststätte im Jahre 1991 nicht abwenden.

Zwei Jahre später wurde das Objekt an einen Investor verkauft. Es folgte der Abriss aller hofprägenden Wirtschafts- und Stallgebäude. Der Seitenflügel erhielt eine neue Dachabdichtung, das Vorderhaus hingegen war in den folgenden 18 Jahren dem Verfall ausgesetzt. Nach der Übernahme durch die Familie Schob im Jahre 2011 wurde das Gebäude regelmäßig gesichert und stabilisiert. Die Planung für die grundlegende Sanierung des Berliner Hofs begann bereits im Jahr 2013. Die Familie Schob hofft, das Gebäude noch im Jahre 2022 wieder im alten Glanz der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.

Michael Schob: „Bis dahin ist es noch ein langer Weg und es gibt viel zu tun. Eine große Herausforderung war die Bindung des Statikers. Hier konnte nur ein erfahrener, phantasievoller Fachmann erfolgreiche Berechnungen präsentieren. Die Ausschreibungsverfahren für die Gewerke wie etwa für den Gerüstbau und die Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten laufen gerade. Wir hoffen, in den kommenden Monaten mit diesen Arbeiten beginnen zu können.“

So einiges wurde vor Ort im Berliner Hof schon getan. Michael Schob: „Im Gebäude werden bereits seit einiger Zeit Arbeiten zur Stabilisierung der vorhandenen Bausubstanz durchgeführt. Die Fundamente werden verstärkt. Ein sieben Meter langer Stahlbetonbalken zum Schutz des Gewölbes über dem Weinkeller wird gerade hergestellt. Es laufen Abstimmungen mit der unteren Denkmalschutzbehörde über Details zur Gestaltung von Fenster und Türen, die für das bevorstehende Ausschreibungsverfahren benötigt werden. Ohne einen fachkundigen Restaurator kann man so ein Objekt nicht erfolgreich umsetzen. Er hat im großen Saal unter der Raufasertapete die historische Wandgestaltung aus verschiedenen Epochen entdeckt. Wir beraten derzeit darüber, welches Detail aus welcher Zeit an welcher Stelle im Gebäude wieder zu erleben sein soll.“

Auf der Vorderseite des Berliner Hofs schränkt seit Jahren ein Absperrzaun den Bürgersteig ein. Das ist eine reine Sicherheitsmaßnahme. Michael Schob: „Gerade im mittleren Bereich der Fassade ist die Bausubstanz äußerst marode und sicherungsbedürftig. In diesem Bereich wird die historische Stuckfassade an das dahinter neu entstehende Mauerwerk befestigt. In den kommenden Monaten wird die Fläche hinter dem Bauzaun für die Materiallagerung verschiedenster Gewerke genutzt. Der Plan ist es nun, in den kommenden zwölf Monaten den kompletten Rohbau fertigzustellen.“

Streift man durch den alten Berliner Hof, so kann man sich jetzt noch gar nicht vorstellen, dass hier in naher Zukunft einmal wieder Leben, Trubel und Heiterkeit einziehen sollen. Der Schwamm steckt im Gemäuer, alles wirkt noch sehr verfallen und kaputt.

Aber das macht sicherlich die besondere Motivation eines Sanierers aus: Er sieht in all dem Staub und Zerfall eine Vision, wie es einmal werden könnte. Und setzt diese Vision dann in die Wirklichkeit um.

Nach der Fertigstellung soll der Berliner Hof als Gasthof mit 16 Zimmern sowie Saal und Gastraum für zusammen ca. 100 Gäste betrieben werden. Es wird angestrebt, eine gesunde, regionale, der Tradition des Hauses verpflichtete Küche anzubieten. Die Möblierung soll im Stile des beginnenden 20. Jahrhunderts erfolgen. Man wird vor Ort wieder speisen, feiern und lachen können.

Michael Schob: „Die ehemalige Eigentümerin Helga Schulze hat mir einmal gesagt: Früher hat der alte Landrat immer gern im Berliner Hof sein Mittagessen zu sich genommen.“

Der aktuelle Landrat, Roger Lewandowski, nutzte die Gelegenheit, sich den Ist-Bauzustand des Berliner Hofes am 4. September im Rahmen einer Begehung genauer anzuschauen. Er versprach, der Tradition seiner Vorgänger zu folgen und dem späteren Berliner Hof ebenfalls einen Besuch zum Essen abzustatten.

Fakt ist schon jetzt: Der Berliner Hof wird erst einmal das letzte Sanierungsprojekt der Familie Schob in Nauen sein. Michael Schob: „Wenn ich das hinbekommen habe, bin ich ein glücklicher Mensch. Dann sollen andere ran, mein Soll ist dann getan.“ (Text: CS + Michael Schob / Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 175 (10/2020).

Der Beitrag Nauen: Berliner Hof wird letztes Sanierungsprojekt von Michael Schob! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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